Exkurs in die Weingeschichte
Volker Gegg
Wer weiß denn noch, was ein Zehntwein ist oder was es mit dem Herbsttrunk auf sich hat? Dieter Kauß, ehemals Kreisarchivar, jedenfalls weiß es – und verriet`s in seinem geschichtlichen Exkurs zum Thema Weinbau beim Heimat- und Kulturverein Ortenberg.
Ortenberg. Es ist bereits feste Tradition, dass die Hauptversammlung des Heimat- und Kulturvereins Ortenberg alljährlich mit einem historischen Vortrag »garniert« wird. So auch kürzlich, als der Vereinsvorsitzende Hermann Litterst den Historiker und pensionierten Kreisarchivar Dieter Kauß als Referenten zum Thema »Geschichte des Weinbaus« begrüßte. »Unser Schloss und der Wein« – zwei prägende Synonyme für Ortenberg, wie Litterst bei der Einführung in den Vortrag konstatierte. Wurde der Weinbau in der Ortenau bereits von den Römern betrieben? Mit dieser Frage beschäftigte sich Historiker Dieter Kauß im ersten Teil seines Vortrags. »Schriftliche Beweise hierzu fehlen«, erklärte Kauß. Entgegen früheren Aussagen, die von Traubenfunden in einem römischen Brunnen von einem »badischen« Weinbau sprechen, zweifeln Historiker heute eher daran. Die Pfalz war Vorreiter Anders als in der Pfalz seien hierzulande keine Reste von Trotten oder Weinbau-Gerätschaften aus römischer Zeit gefunden worden, weiß Kauß. Sicher sei nur, dass die Römer den Rebensaft hier genossen hätten, »dieser kam dann aber aus der Pfalz oder aus Italien«.
Der Wein als Getränk sei in Baden seit dem dritten Jahrhundert vor Christus verbürgt; Amphorenfunde wiesen darauf hin. »200 nach Christus wurde der Wein sogar beschrieben; Begriffe hierfür waren damals harzig¬, Fichten- und Zypressenduft¬.« Erste Beweise für Weinanbau in unserer Region fänden sich erst im 8. Jahrhundert im Breisgau. In der Ortenau ist der Weinbau laut Kauß urkundlich erst ab 1233 schriftlich verbürgt: »Zufälligerweise sind das Schriftstücke aus Ortenberg und Ohlsbach, die auf Weinanbau hinweisen«, so der Historiker. »Damals war schon von altem¬ und neuem¬ Wein die Rede, aber auch von edlem¬ und gewöhnlichem¬ Rebensaft«, hat Kauß recherchiert. In den folgenden Jahrhunderten habe durch die »kleine Eiszeit« die Witterung in der Ortenau wohl nicht mehr so gut mitgespielt. Erst um 1570 nähmen die Urkunden, die sich mit dem Weinbau beschäftigen, wieder zu. Zu jener Zeit sei zum ersten Mal auch von Schwefelung die Rede. Der Schwefel macht den Rebensaft haltbarer, machte es laut Kauß aber auch möglich, verschiedene Weinsorten in der Region zu etablieren. Vom 16. Jahrhundert an zählte der Wein als Grundnahrungsmittel.
Durchschnittlicher Verbrauch: 1,7 Liter pro Person. Reben gehörten von Beginn an zu den Sonderkulturen, waren also auch mit Abgaben belegt. Der Weinbauer musste damals ein Drittel oder bis zur Hälfte seiner Ernte dem Grundherrn abgeben, den so genannten Zinswein. Hinzu kamen noch zehn Prozent als Zehntwein für die geistliche Obrigkeit. Wer den Rest seines Weines auch noch verkaufen wollte, musste darüber hinaus an seine Herren noch ein saftiges Ohmgeld abdrücken. Bereits seit 1559 ist in Ortenberg der »Herbstrunk« verbürgt; die Grundherren luden hier ihre Schäfchen zum Erntedankfest ein. 1767 gab es zu diesem Anlass für jeden Ortenberger Bürger acht Maß Wein (rund zwölf Liter). Ersatz für Wasser Im 18. Jahrhundert waren in Ortenberg 20 Rebhöfe beheimatet.
Im selben Jahrhundert wurden dem Wein multifunktionale Eigenschaften zugeschrieben. Er war nicht mehr nur Getränk, sondern Heilmittel, Desinfektionsmittel und Ersatz für verunreinigtes Wasser. »Deshalb standen zum Beispiel den Bewohnern eines Spitals pro Tag rund sechs Liter Wein zu«, weiß Kauß. »Auch in der heutigen Zeit wird hier Weingeschichte geschrieben«, führte Winfried Köninger, Leiter des kommunalen Weingutes Schloss Ortenberg, die Ausführungen von Kauß von der Historie in die Neuzeit fort. »Was in den letzten Jahrzehnten gerade im Weißwein-Bereich geschieht, ist gewaltig«, urteilt Köninger. Flaschenkorken werden seiner Meinung nach in ein paar Jahren wohl der Vergangenheit angehören. »Es wird bemängelt«, so Köninger weiter, »dass wir auf dem Weingut seit 1997 Sauvingnon blanc anpflanzen, was doch keine heimische Rebsorte sei. Dem ist aber nicht so – bis 1957 wurde genau diese Rebe bei uns als Muskatsilvaner¬ angepflanzt. Somit ist das auch für Ortenberg eine alte Rebsorte«, stellte Köninger klar.
Quelle: https://www.bo.de/lokales/offenburg/exkurs-in-die-weingeschichte